Daher die Forderung nach barrierefreien PDF, die diese Faktoren berücksichtigen. Gemeint sind hier beispielsweise kontrastreiche Designs, anpassbare Schriftgrößen, alternative Textangebote für multimediale Inhalte sowie eine leicht verständliche Sprache.
PDF/UA: Push für mehr barrierefreie Dokumente
Neu ist das Thema nicht, für Blinde beispielsweise gibt es verschiedene "Hilfsmittel" wie Screen-Reader und Braille-fähige Drucker, um ihnen den Inhalt von gedruckten und elektronischen Informationen zu erschließen. Das Problem dabei: Häufig fehlen den Dokumenten wichtige Strukturinformationen wie Leserichtung, Sprache, Spaltenreihenfolge, Hinweise zu Silbentrennung etc., die für eine korrekte Wiedergabe notwendig sind. Aus dem Urinstinkt kann da schnell die Feststellung werden, dass Urin stinkt und anstelle der Blumentopferde könnten da auch die Blumento-Pferde durch die Prärie rennen – weil die Sprachausgabe und Silbentrennung für die Wiedergabe von Bedeutung sind. Oder es werden überflüssige Informationen wie Kopf- und Fußzeilen, Seitenzahlen oder Logonamen vorgelesen.
Damit Dokumente und PDF auch wirklich behindertengerecht sind, müssen sie verschiedene Kriterien erfüllen. Im Mittelpunkt steht dabei das "Tagging": Welche Textpassagen und -blöcke gehören zusammen? Wie soll ein Text in welcher Reihenfolge und in welchem Umfang vorgelesen werden? Außerdem: Nicht-Text-Objekte benötigen alternative Texte, Veränderungen am Original (Artefakte) sollten gekennzeichnet werden und die Texte im Unicode-Format gestaltet sein.
Das neue Format PDF/UA (Universal Accessibility), dessen Zertifizierung als ISO-Standard nur eine Frage der Zeit ist, wird die Erstellung von allgemein zugänglichen Dokumenten sicher wesentlich erleichtern. Zwar ist heute schon das "Tagging" von PDF-Dateien möglich, ist aber strukturell noch nicht hinreichend beschrieben. Um Informationsangebote wirklich barrierefrei zu machen, muss man tief "eintauchen" in die Struktur eines Dokuments. Herkömmliche PDF-Tools sind dazu nicht in der Lage – noch nicht. Spätestens, wenn sich PDF/UA als Standard durchsetzt, wird es auch Software geben für die Erzeugung entsprechender Dokumente. Experten sehen "Barrierefreiheit in der IT" als Schlüsselthema für die nächsten Jahre.
Barrierefreiheit geht alle an
Noch halten sich Unternehmen damit zurück – wohl auch, weil das Thema auf den Aspekt "Behindertengleichstellung" reduziert wird. Doch die Forderung nach allgemein zugänglichen Informationsangeboten beschränkt sich nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung. Man denke nur an den generell wachsenden Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft. Schon allein deshalb empfiehlt es sich, Dokumente der sich naturgemäß ändernden Aufnahmefähigkeit von Senioren entsprechend aufzubereiten. Ein Grund dafür, warum Behörden und zunehmend auch Firmen ihren Webauftritt in unterschiedlichen Schriftgrößen gestalten. Denkbar auch: Man lässt sich E-Mails im Auto von einer Computerstimme vorlesen. Auch das ein Fall von Barrierefreiheit, schließlich müssen auch hier Struktur- und Metainformationen im Dokument hinterlegt sein.
Doch es gibt noch einen anderen Grund, warum man sich mit dem Thema beschäftigen sollte. Mit der zunehmenden Bereitstellung von transaktionalen Dokumenten in Webportalen spielt deren semantische Qualität auch unabhängig von gesetzlichen Vorgaben eine immer wichtigere Rolle. So müssen sich Dokumenten-Workflows beispielsweise von der A4-Metapher lösen und Inhalte zukünftig auch für andere Ausgabegeräte bereitstellen. Stichwort mobile Endgeräte. Damit verbunden ist eine schrittweise Aufwertung von ursprünglich nur für den Druck gedachten Dokumenten zu multikanalfähigen, denen möglichst viele Informationen auf dem Weg zur Ausgabe beigegeben werden, beispielsweise für die Archivierung. Hier werden die notwendigen Indexinformationen in den Datenstrom "eingebettet".
Schluss mit der Informationsvernichtung!
Die heute oft anzutreffende Vernichtung von Informationen auf dem Weg zur Ausgabe der Dokumente, über welchen Kanal auch immer, ist nicht mehr zeitgemäß. Oft werden digitale Dokumente, die an sich von Maschinen gelesen und verarbeitet werden könnten, erst in eine analoge Form, also gedruckt, und dann in TIF- bzw. JPG-Dokumente umgewandelt werden, das heißt, aus Content entstehen "Pixelwolken". Der eigentliche Inhalt wird erst verschlüsselt (Rasterbilder) und dann wieder mittels Optical Character Recognition (OCR) "lesbar" gemacht. Das ist nicht nur umständlich, sondern geht auch mit dem Verlust von Metadaten einher, die für die Weiterverarbeitung notwendig sind.
Barrierefreie Dokumente dagegen erlauben die Reformatierung, beispielsweise von A4 zum Smartphone-Display, die Konvertierung in andere Formate (u.a. vom Seitenformat zurück ins textorientierte Format), die Extraktion von Einzeldaten (u.a. Rückgewinnung von Rechnungspositionen) und den Aufbau von Inhaltsverzeichnissen und Index-Listen.
So ist letztlich das Thema Barrierefreiheit kein ausschließliches für Menschen mit Behinderung, sondern sorgt für einen Quantensprung in der Dokumentenerstellung, -bearbeitung und -ausgabe überhaupt. Es ist mehr als nur politische Korrektheit.