Compart - Dokumenten und Output-Management

Trends

Barrierefreie Kommunikation ist mehr als Inklusion

Compart |

Wer barrierefreie Kommunikation nur mit Behindertengleichstellung assoziiert, denkt zu kurz

Tatsächlich geht es dabei um das Aufwerten von Inhalten und Dokumenten zu intelligenten Informationsträgern. Seit Herbst vergangenen Jahres müssen Behörden und Organisationen des öffentlichen Sektors ihre Kommunikation komplett barrierefrei machen. Das fordert eine aktuelle EU-Richtlinie. Danach haben Inhalte von Papier- und elektronischen Dokumenten genauso wie von Webseiten und Apps allgemein zugänglich, verständlich und robust zu sein.

Auch wenn barrierefreie Kommunikation immer noch auf den Aspekt „Behindertengleichstellung“ reduziert wird: Die Forderung nach allgemein zugänglichen Informationen beschränkt sich nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichem oder geistigem Handicap. Streng genommen ist das Thema Inklusion in diesem Zusammenhang ein Nebenschauplatz. Tatsächlich besitzt barrierefreie Kommunikation mehrere Facetten. Im Kern geht es immer wieder um einen Aspekt: Inhalte müssen heute so intelligent wie möglich erstellt und verfügbar gemacht werden. Das schließt auch die Sprache (Verständlichkeit, Syntax, Mehrsprachigkeit) ein.

Mit anderen Worten: Gefragt sind Dokumente, die nicht nur mit für die allgemeine Zugänglichkeit gemäß BITV und anderer gesetzlicher Regelungen notwendigen Strukturinformationen „angereichert“ werden, sondern auch mit aussagekräftigen Daten, die extrahiert und nach Belieben miteinander verknüpft werden können, um beispielsweise sehr komplexe und gezielte Informationsrecherchen durchführen zu können.

Infobox

Lesedauer: 6 Min

  • Intelligent aufbereitete Inhalte
  • Daten sind das neue Erdöl
  • Barrierefreie Kommunikation als Chance

Barrierefreie Kommunikation heißt auch mehrkanalfähige Kommunikation

Tatsache ist: Die semantische Qualität von Dokumenten spielt auch unabhängig von gesetzlichen Vorgaben eine wichtige Rolle. Zum Beispiel bei Omnichannel. Heute bestimmt der Empfänger den Kommunikationskanal. Das heißt, Dokumentenerstellung und –versand im Unternehmen müssen nicht nur entkoppelt sein, sondern sich von einer bestimmten Seitengröße („A4-Metapher“) lösen, damit die Inhalte auch für andere Medien komfortabel zur Verfügung gestellt werden können.

Das geht aber nicht ohne detaillierte Informationen, die dem Dokument auf dem Weg zur Ausgabe beigegeben werden. Damit beispielsweise der IT-affine Mittzwanziger den Kreditvertrag auf seinem Smartphone lesen und unterschreiben kann; damit die Seniorin ihren aktuellen Rentenbescheid wie gewünscht auf dem klassischen Postweg bekommt; und eben auch, damit sich der Sehbehinderte seine aktuelle Stromabrechnung von einem Screen-Reader vorlesen lassen kann.

Deutlich wird: In jedem Fall geht es um das „Einhauchen von Intelligenz“, das Barrierefreiheit im Sinne von Inklusion automatisch einschließt. Immer geht es um die Hinterlegung von Strukturinformationen, im Fachjargon „Taggen“ genannt. Wer also seine Dokumente mehrkanalfähig, ergo responsiv macht, erledigt das Thema Barrierefreiheit gleich mit, quasi im Vorbeigehen.

Immer noch viele Datengräber vorhanden

Allein dieser Fakt sollte für Unternehmen Grund genug sein, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Angesichts von Big Data, künstlicher Intelligenz (KI) und anderer aktueller Technologien rücken verwertbare Daten und der Umgang mit ihnen ohnehin in den Fokus jeder ernstzunehmenden digitalen Transformation. Man braucht nicht über Standardisierung und Automatisierung im Dokumenten- und Output-Management zu reden, wenn die dafür notwendigen Daten nicht zur Verfügung stehen. Wer seine „verpixelten“ Dokumente mittels softwaregestützter Texterkennung (OCR = Optical Character Recognition) erst wieder lesbar machen muss, ist noch weit entfernt von intelligenter Dokumentenerzeugung.

Ziel ist es letztlich, außer dem Dokument an sich auch die enthaltenen Daten zur Verfügung zu haben. Das Bewusstsein dafür ist branchen- und länderübergreifend durchaus vorhanden. Mittlerweile stellen die Fachabteilungen, aber auch die Kunden selbst diesbezüglich hohe Anforderungen. Marketing und Vertrieb beispielsweise verlangen nach immer detaillierteren Informationen, um noch gezielter Kunden anzusprechen (automatisierte, selektive Kampagnen). Mittels KI-Methoden lassen sich die dafür notwendigen Daten problemlos generieren – vorausgesetzt, sie sind auch vorhanden. Heute genügt es nicht, Dokumente aus dem Archiv einfach nur abzurufen und sich anzeigen zu lassen. Salopp formuliert: Man muss mit den Inhalten auch etwas anfangen können – um beispielsweise gezielt Antworten auf eine bestimmte Problemstellung zu generieren; schnell und automatisiert.

Dennoch sieht die Praxis anders aus. Immer noch existieren in den Firmen etliche „Datengräber“, teilweise sind Dokumente als Imagedateien ohne aussagekräftige Metadaten gespeichert. Viele begnügen sich da-mit, die Inhalte der archivierten Dokumente nur lesbar zu machen, aber nicht weiter mit Daten „aufzuwerten“. Insgesamt ist hier immer noch sehr viel Abwarten zu beobachten – was sicher auch mit den historisch gewachsenen Strukturen in der Dokumentenerzeugung (Legacy-Systeme) zu tun hat. Wer trennt sich schon gern von bewährten Anwendungen und Prozessen? Manche scheuen auch den Aufwand, beispielsweise für das nachträgliche Taggen vorhandener Dokumente. Eine Sorge, die nicht ganz unbegründet ist.

Daten sind das neue Erdöl in der Kundenkommunikation

Trotzdem: Daten und ihre Verwendung sind ein kostbares Gut, mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Sie bilden das Fundament, ohne das digitale Technologien ihr Potenzial überhaupt nicht entfalten können. Sie sind das neue Erdöl. Google macht es vor. Mit seiner neuen Suchmaschine Dataset Search bündelt das Unternehmen die unzähligen Anbieter von wissenschaftlichen Datensätzen im Web und ermöglicht vor allem Wissenschaftlern, Journalisten und Studenten eine noch bessere Recherche ermöglichen. Letztlich steckt dahinter das Phänomen des „semantischen Web“. Dabei geht es darum, nicht nur den Text an sich, sondern auch den Inhalt als Daten so zur Verfügung zu haben, dass sie automatisch in Korrelation zueinander gesetzt werden können.

Dadurch wird eine über mehrere Ebenen verlaufende Informationsrecherche überhaupt erst möglich. Statt ein Dokument manuell nach einer konkreten Info zu durchsuchen, liefert das Web die Antwort gleich selbst. Dabei geht es nicht um einfache Suchergebnisse, sondern um komplexe, die sich nur aus der Verknüpfung verschiedener Daten generieren lassen. Wer beispielsweise wissen will, wie viele Einwohner Berlin im Jahr 1920 hatte, wird sicher schon heute im Web fündig. Wer allerdings darüber hinaus die Angabe benötigt, wie viele Einwohner davon männlich bzw. weiblich und unter 25 waren, benötigt schon intelligentere Suchmethoden.

Noch ist das semantische Web eines der am meisten unterschätzten Themen. Doch es wird, soviel steht fest, in einigen Jahren unser gesamtes Leben durchdringen. Eine Deutsche Hochschule bietet bereits einen Studiengang barrierefreie Kommunikation an, die Universität Hildesheim seit dem Wintersemester 2018/2019.

Daher ist es höchste Zeit, auch in der Dokumentenerzeugung umzudenken. Der neue Ansatz: Dokumente sind Datenquellen, die den „Rohstoff“ für Unternehmen liefern, um neue Marktpotenziale zu erschließen. Die Technologien dafür sind vorhanden. Es gibt inzwischen genügend Anwendungen und IT-Lösungen, die eine intelligente Dokumentenproduktion ermöglichen. Warum also noch damit warten? Dann ist man auch beim Thema Barrierefreiheit auf der sicheren Seite. Die Vorgehensweise (komplette Erneuerung der Dokumentenerzeugung, nachträgliches Hinterlegen von Strukturinformationen/Metadaten oder beides zusammen) mag von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein. Nur beginnen sollte man endlich damit.

Interview

Barrierefreiheit als Chance verstehen

Im Gespräch: Harald Grumser, CEO Compart

Herr Grumser, die Forderung nach barrierefreier Kommunikation ist nicht neu. Warum gibt es trotzdem immer noch große Zurückhaltung auf diesem Gebiet?

Grumser: Das hat sicher damit zu tun, dass viele Unternehmen das Thema auf den Aspekt Inklusion reduzieren. Zwar sind Behörden inzwischen qua Gesetz dazu verpflichtet, Dokumente und Inhalte auch für Menschen mit Behinderung zugänglich, also erschließbar zu machen. Doch selbst hier sieht es diesbezüglich nicht optimal aus.
Wenn also nicht mal alle Bundesministerien der Forderung nach komplett barrierefreier Kommunikation nachkommen – warum sollte also ein Unternehmen, für das kein Zwang besteht, da vorpreschen? Viele schätzen das Risiko, von einem Blinden verklagt zu werden, weil er nicht Zugriff auf alle Inhalte hat, als gering ein und nehmen es in Kauf. Man schiebt das Thema daher auf die lange Bank.

Überhaupt herrscht eine gewisse Trägheit diesbezüglich. Manchen ist sicher auch nicht in vollem Umfang bewusst, dass die Forderung nach allgemein zugänglichen Dokumenten eine Chance darstellt, generell über eine Modernisierung der Dokumentenerstellung nachzudenken. Stichwort Mehrkanalfähigkeit. Wer seine Dokumente so erzeugt, dass sie auf allen Kanälen ausgegeben werden können, unabhängig vom Medium, von der Displaygröße etc., der muss sich ohnehin mit Daten beschäftigen. Dann ist das Thema Barrierefreiheit bzw. Inklusion im Prinzip ein „Abfallprodukt“.

Viele Unternehmen arbeiten in der Dokumentenerzeugung mit Systemen, die 20 Jahre und älter sind. Das heißt, sie stehen vor der Frage, entweder die Dokumentenerzeugung komplett zu modernisieren oder die vorhandenen Dokumente nachträglich intelligenter zu machen. Was empfehlen Sie?

Grumser: Das muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Ein Patentrezept gibt es nicht, aber egal, wie die Ausgangsbedingungen sind – wichtig ist, dass man einfach damit beginnt, vom Stichtag X an Dokumente zukünftig nur noch nach den genannten Kriterien zu erstellen. Inzwischen gibt es genügend Anwendungen. HTML5 und andere Standards sind ja geeignete Methoden, um allgemein zugängliche, strukturierte und intelligente Inhalte für alle Medien zu erzeugen. Auch Compart bietet ja mit DocBridge® Impress eine entsprechende Lösung.

Das Problem sind die alten Dokumente, was soll mit denen geschehen? Sicher – man könnte sie nachträglich „taggen“, auch dafür gibt es inzwischen leistungsstarke Tools, beispielsweise DocBridge® Mill Plus, wobei solche Verfahren immer fehleranfällig bleiben. Voraussetzung dafür ist, dass die betreffenden Dokumente überhaupt elektronisch vorliegen und entschlüsselt sind, der Inhalt also lesbar und somit verfügbar ist. Ich denke, dass die meisten Unternehmen inzwischen ihre Papierarchive bis auf wenige Ausnahmen soweit digitalisiert haben.

Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass diese Methode sehr kostenintensiv ist. Lohnt sich der Aufwand also? Oder ist es nicht besser, auf die Möglichkeiten, die das Strukturieren und „Aufwerten“ im Nachhinein bieten, zu verzichten und die unstrukturierten Dokumente beim Status quo zu belassen?

Die Frage ist also: Welche Relevanz besitzen diese Dokumente bzw. wie hoch ist die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sie für eine gezielte Informationsrecherche noch benötigt werden? Auch davon hängt die Entscheidung ab. Nicht immer ist das nachträgliche Einhauchen von Intelligenz der einzig richtige Weg.

Apropos DocBridge® Impress: Was leistet die Compart-Lösung in diesem Zusammenhang?

Grumser: Abgesehen davon, dass damit auch ein nachträgliches „Tagging“ möglich ist: Der entscheidende Vorteil von DocBridge® Impress liegt im neuen Ansatz. Jedes Dokument wird von Beginn an so erstellt, dass es per se auf allen Medien ausgegeben bzw. angezeigt werden kann, dass es allgemein zugänglich ist und dass es mit so viel Metadaten „angereichert“ werden kann, dass eine Weiterverarbeitung von Daten im Sinne eines semantischen Web möglich ist. Wir nennen dieses Prinzip „Design Once“, das heißt, das Dokument wird in einem einzigen Quellformat erstellt und derart mit Informationen „angereichert“, dass es mehrkanalfähig und allgemein zugänglich, also intelligent ist.

Mit DocBridge® Impress machen Anwender ihre Dokumente quasi im Vorbeigehen barrierefrei, denn die Lösung unterstützt alle heute gängigen Ausgabeformate, also auch HTML5 und PDF/UA, den international anerkannten Standard für allgemein zugängliche Dokumente nach den Richtlinien der Web Content Accessibility Guidelines, kurz WCAG. Somit wird der Weg von vorne herein, im Sinne der barrierefreien Kommunikation, softwaregestützt für alle Kommunikationskanäle bereitet.