Bunt, aber nicht chaotisch
Farbe in der Dokumentenverarbeitung liegt im Trend: Immer mehr Unternehmen erkennen den Nutzen von optisch aufgewerteter Korrespondenz und rüsten entsprechend um. Da spielen nicht nur Erwartungen seitens der Empfänger eine Rolle. Es hat auch etwas mit einem neuen Verständnis zu tun: Durch Farbe wird Papier zum Premium-Produkt“ und angesichts der täglichen Flut an elektronischen Nachrichten wieder attraktiv. Der „Caslon PDP Color Forecast Report“ vom Juni 2012 prognostiziert beispielsweise, dass 2026 in Westeuropa mehr als 250 Milliarden Seiten digital und in Farbe gedruckt werden – gegenüber etwa 25 Milliarden im Jahr 2014 (Quelle: Canon). Was sicher auch mit den sinkenden Kosten zu tun hat: Tinte ist dank solcher Technologien wie Inkjet heute erschwinglicher als noch vor Jahren, und je höher das Dokumentenaufkommen ist, desto mehr lohnt sich die Investition in Farbe („economy-of-scale“).
Rosige Aussichten also? Nun - was lukrativ klingt, ist nicht so ohne weiteres zu haben. Jeder, der sich im Rahmen der Dokumentenverarbeitung mit Farbe auseinandersetzt, weiß, dass er sich mit ICC-Profilen beschäftigen muss. Doch die Umsetzung von standardisierten Farbwerten gemäß den Vorgaben des „International Color Consortium“ stößt in der Praxis auf einige Hindernisse. Es geht vor allem um die Frage, an welcher Stelle man die Farbanpassung vornimmt? Dabei ist die Vielfalt der Workflow-Typen zu berücksichtigen bzw. es sind generell exakte Abläufe für das Farbmanagement zu definieren.
Oft überblicken Unternehmen das Ausmaß dieses komplexen Themas erst, wenn sie mitten in der Umstellung stecken. Häufig stellt sich die Vorgehensweise als umständlich und zu teuer heraus, zum Beispiel, weil man die Vielfalt der Ausgabekanäle nicht ausreichend berücksichtigt hat oder nicht genügend Know-how im Unternehmen vorhanden ist.
Wo macht man die Farbanpassung?
Daher beginnt jedes „Farbprojekt“ mit einer genauen Analyse der OM-Strukturen im Unternehmen. Sie gibt Aufschluss darüber, ob die Farbanpassung bereits während der Erstellung der Dokumente erfolgen soll oder besser erst bei der Ausgabe. Beide Möglichkeiten haben ihre Vor- und Nachteile, letztlich hängt die Entscheidung von mehreren Faktoren ab. So ist beispielsweise für die Farbanpassung schon während der Erstellung ein breites technisches Know-how zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Dokumentenausgabe und den daraus resultierenden unterschiedlichen Farbräumen RGB (für elektronische Ausgabekanäle) und CYMK (für Druck) erforderlich.
Mitarbeiter, die bisher nur mit Formatier-Programmen zu tun hatten, sehen sich in diesem Fall plötzlich mit neuen Applikationen und Systemen konfrontiert. Oft ist das für die Farbanpassung notwendige Wissen in der Dokumentenerstellung gar nicht oder nur rudimentär vorhanden und muss durch umfangreiche Schulungen erst aufgebaut werden. Dazu gehört auch grundlegendes Know-how: Wie kommen Farbmessungen überhaupt zustande? Worauf basieren die ICC-Profile? Was sind geräteunabhängige Farbräume? Ohne ein entsprechendes Verständnis sind Projekte mehr oder weniger zum Scheitern verurteilt.
Ein weiterer Nachteil: Jede Änderung (Hinzufügen neuer Kanäle und Ausgabegeräte), aber auch jeder Fehler in der Ausgabe zieht Korrekturen in der Erstellung nach sich. Andererseits hat diese Methode auch einen wesentlichen Vorteil: Man muss die Farbanpassung nur einmal machen und reicht die Farbwerte dann durch den gesamten Prozess weiter - von der Formatierung, Indizierung und Konvertierung bis zur Ausgabe. Damit hat man einen schlanken und transparenten Workflow.
Rot ist nicht gleich Rot
Alternativ dazu könnte man natürlich die Farbanpassung auch während der eigentlichen Dokumentenverarbeitung vornehmen, also zwischen Erstellung und Ausgabe. Das hätte den Vorteil, dass im weiteren Verlauf keine zusätzlichen Eingriffe für Farbe notwendig sind. Allerdings müssen bereits hier alle zukünftigen Ausgabemöglichkeiten bereits bedacht werden. Die Herausforderung: Je mehr Ausgabekanäle existieren, desto komplexer die Farbanpassung und desto aufwändiger die Konfiguration.
Oder man verlegt das Color Management in den Output-Bereich. Die Anpassung des Farbraums anhand der ICC-Profile, die man für die Ausgabegeräte nutzt, wäre recht einfach. Der Vorteil hier: Änderungen, die in der Ausgabe vorgenommen werden, haben keinen Einfluss auf Erstellung, Formatierung, Konvertierung, Indizierung, Bündelung etc. Dementsprechend benötigen die Mitarbeiter im Versandbereich auch kein Know-how zu den vorgelagerten Prozessen und Applikationen. Andererseits: Die ICC-Profile der Ausgabegeräte sind hersteller- bzw. gerätespezifisch, so dass es zu unterschiedlichen „Farbergebnissen“ kommen kann. Mit anderen Worten: Ob ein Dokument wirklich in der gewünschten Farbe ausgegeben wird, hängt nicht nur von den beteiligten Softwaresystemen ab, sondern auch von den Ausgabegeräten.
Erst die Strukturen analysieren, dann Farbe dazu
Es gibt also kein Patentrezept bei der Farbanpassung, es ist und bleibt immer eine Einzelfallentscheidung, je nachdem, ob Vor- oder Nachteile für das Unternehmen überwiegen. Wer beispielsweise ein einheitliches Farbmanagement für alle Ausgabekanäle etablieren will, sollte das in der Dokumentenverarbeitung machen; vor allem dann, wenn die Kanäle sich häufig ändern oder neue hinzukommen, denn dadurch lassen sie sich schnell integrieren. Es sind keine weiteren Definitionen bezüglich der Farbe in diesen zusätzlichen Ausgabekanälen notwendig.
Für die Vorgehensweise spielen außerdem die vorhandenen Strukturen der Dokumentenverarbeitung eine Rolle. Sind Erstellung und Ausgabe nicht voneinander getrennt und existieren viele unterschiedliche dokumentengenerierende Systeme im Unternehmen, beispielsweise als Folge von Fusionen und Akquisitionen, sollte man sich zunächst mit der Frage beschäftigen, ob man Erstellung und Versand nicht entkoppeln will. Denkbar wäre, dass man alle im Unternehmen anfallenden Schriftstücke an einer zentralen Stelle „abgreift“ und sie für die Ausgabe aufbereitet. Dort könnte man dann auch die Farbanpassung vornehmen. Das setzt natürlich die Etablierung eines entsprechenden Workflows voraus.
Will man dagegen nicht zentralisieren, bleibt ohnehin nur die Erstellung als Ort für die Umsetzung der Farbwerte. Neuralgischer Punkt hier ist, dass die Systeme „regelkonform“ mit dem Farbkonvertierer kommunizieren müssen. Vor allem bei Schmuck- und Sonderfarben, die durch Namen (Panone, HKS) und nicht durch Werte definiert sind, tauchen oft Probleme auf. In der Praxis werden hier oftmals extensive Tests notwendig sein. Es kann sogar dazu kommen, dass bereits gewählte Ausgabegeräte nochmals ausgetauscht werden müssen.
Soll man Farbmanagement auslagern?
Natürlich könnte ein Unternehmen seine Dokumentenverarbeitung und –ausgabe an einen Dienstleister vergeben und diesen auch gleich mit dem Farbmanagement beauftragen, denn der Aufbau von eigenem Wissen braucht Zeit. Klingt bequem, kommt den Betrieb aber oft teurer – schließlich ist das Know-how nicht zum Nulltarif zu haben. Ohnehin lohnt sich die Auslagerung an einen Externen erst ab einem monatlichen Dokumentenvolumen von mindestens 50.000 Seiten.
Fakt ist: Viele Unternehmen beschäftigen sich mit dem Thema, konzentrieren sich aber auf Schmuckfarben. Dem Vollfarbdruck gehen sie eher aus dem Weg – nicht nur aus Kostengründen, sondern auch der Komplexität bei der Umsetzung wegen. So lässt man schnell mal eine High-Color-Farbe herstellen und stößt spätestens bei der Farbkonvertierung von Bildern an Grenzen. An Vollfarbe kommt man also nicht vorbei. Derzeit steht man in Sachen Farbgenauigkeit aber noch ganz am Anfang.
Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten für die Umsetzung der ICC-Normen innerhalb des Dokumenten und Output Management.
Bei der Erstellung
Vorteile
- Keine Farbkonvertierung in den nachgelagerten Bereichen notwendig (geringe Fehlerquote)
- Schlanker und transparenter Workflow
Nachteile
- Profundes Fachwissen zur Ausgabe von Dokumenten erforderlich
- Bei Änderungen und Fehlern in der Ausgabe: erneute Erstellung bzw. Korrektur notwendig
- Aufwändige Schulungen der Mitarbeiter, da unterschiedliche Systeme im Einsatz sind
Bei der Verarbeitung (Bündelung/Modifizierung/Indizierung/Konvertierung)
Vorteile
- Einheitliches Farbmanagement für alle unterstützten Kanäle
- Neue Ausgabekanäle bzw. Änderungen schnell integrierbar
- Klare Prozessverantwortlichkeiten im Fehlerfall
- Vereinfachte Schulung der Mitarbeiter
Nachteile
- Komplexe Anwendung bei mehreren Kanälen
- Aufwändige Konfiguration
Bei der Ausgabe
Vorteile
- Keine Veränderung der Farbdaten
- Zusätzliche Elemente (Farbraum zu Ausgabe passend verwenden)
- Keine Kenntnisse zu vorgelagerten Prozessen notwendig
- Änderungen in der Ausgabe haben keinen Einfluss auf Erstellung etc.
Nachteile
- Mehrkanalausgabe (Druck, E-Mail, E-Post, mobile Endgeräte) für einheitliche, reproduzierbare Farbwiedergabe ist schwierig (verschiedene Technologien)
- Aufwändige Konfiguration
Grundlegende Forschungen während der 1930er Jahre durch die „Commission International d’Éclairage (CIE)“: typische Lichtbedingungen = standardisierte Werte (zur Evaluierung)
Licht
- Quelle Typ A = normale Glühbirne
- Quelle Typ D50 = Tageslicht mit 5.000 Kelvin (am Nachmittag)
- Quelle Typ D65 = Tageslicht mit 6.500 Kelvin (Sommertag mittags ohne Wolken)
Normaler Betrachter = statistisches Mittel mit verschiedenen Probanden
Standardisierte Farbräume
- CIEXYZ, Distanz von fast identischen Farben manchmal sehr groß
- CIELAB, Distanz von fast identischen Farben konstant
Gründung des „International Color Consortium (ICC)“ – basierend auf den Arbeiten von CIE
Entwicklung der ICC-Profile für die Eingabe in bzw. die Ausgabe aus standardisierten Farbräumen
- Nicht nur für Bilder, sondern auch für Vektorgrafiken, Text etc.
- Transformation von geräteabhängigen und geräteunabhängigen Farbinformationen (Profile Connection Space PCS)
ICC-Profile
- Eingabegeräteprofile
- Monitorgeräteprofile
- Ausgabegeräteprofile
- Geräteverknüpfungsprofile
- Farbraumkonvertierungsprofile
- Abstrakte Profile
- Sonderfarbenprofile