So bequem wie Autofahren: Der Umgang mit Dokumenten muss komfortabler werden
Interview mit Harald Grumser, Gründer und CEO von Compart
Prozessautomatisierung, universelles Dokumentendesign, Central Rendition Services: Compart ist bekannt für seine Innovationsfreude, die sich nicht zuletzt in den skalierbaren und leistungsfähigen Lösungen widerspiegelt. Ziel ist es, den Unternehmen einen hohen Komfort für ihre zunehmend komplexer werdende Dokumentenverarbeitung zu bieten. Etliche Lösungen werden auf dem diesjährigen Comparting im November erstmals vorgestellt.
Mehr dazu im Gespräch mit Harald Grumser, Gründer und Vorstand der Compart AG
1. Herr Grumser, worin besteht derzeit der größte Leidensdruck im Dokumenten- und Output-Management von Unternehmen?
Harald Grumser: Die automatische Prozessüberwachung geht jetzt wie von selbst, weil sich die Hersteller inzwischen auf einheitliche Standards geeinigt haben. Zum Thema osteuropäische Sonderzeichen bei Familiennamen und Ausgabe von sogenannten Smilies zur Wiedergabe von Kunden-E-Mails in AFP gab es vor Ostern ja einen bundesweiten Wochenend-Workshop mit Erfolgsgarantie. Zur Einbindung von ZUGFeRD oder XRechnung in PDF gibt es jetzt ein Open-Source-Project, das keine Wünsche mehr offen lässt. Und last not but least tut sich auch bei der Anpassung von alten Druck-Layouts an die responsive Darstellung im Web einiges. Hier gibt es eine neue günstige Lösung auf der Basis von Methoden der künstlichen Intelligenz, mit der sich beispielsweise bis zu tausend Formulare in einer Nacht umstellen lassen. Ist also alles im Lot. (Harald Grumser lacht)
Aber Spaß beiseite: Die Anforderungen steigen und das Karussell dreht sich immer schneller.
2. Spielen da so „alte“ Themen wie Konvertierung überhaupt noch eine Rolle?
Harald Grumser: Nun - digitale Prozesse brauchen Zugriff auf die Inhalte der Dokumente und auch künstliche Intelligenz braucht Augen und Ohren. Was ich damit sagen will: Es wird immer wichtiger, Dokumente, ob sie nun selbst erstellt wurden oder von außen kommen, zu standardisieren, etwa in Form von PDF/A oder noch besser in PDF/UA als anerkanntes Standardformat für allgemein zugängliche, barrierefreie Dokumente. Immer mehr Kunden setzen zentrale, skalierbare Conversion-Lösungen, inzwischen auch Rendition Services genannt, ein, um diese Aufgabe zu lösen. Da ist die Konvertierung von gescannten Seiten oder Office-Formaten im Eingang genauso gefragt wie die Erzeugung von Druckdaten im Ausgang.
3. Compart engagiert sich also zunehmend auch im Bereich Inbound Communication. Ein neues Feld?
Harald Grumser: Nicht wirklich. Schließlich unterscheiden sich die Schnittstelle zu Archiven und die Bewirtschaftung von Metadaten im Bereich Inbound und Outbound Communication nur unwesentlich. Das Scannen von Papier ist heute ja fast schon zur Massenware geworden. Und Texterkennung per OCR erfindet man am besten auch nicht selbst. Mit allem Anderen beschäftigen wir uns schon lange und sind manchmal selbst überrascht, wie viele, teilweise auch sehr große Projekte, wir in diesem Bereich in den letzten Jahren abgeschlossen haben.
Dazu ein Beispiel: Eine große Versicherung etwa konvertiert fast 100.000 E-Mail Eingänge mit Anhängen täglich, um sie der Sachbearbeitung zuzuführen. Das kann man fast schon als „Flöhe hüten“ bezeichnen, weil Menschen doch sehr viele Ideen haben, welche Formate man einer Versicherung schicken kann. Bei manchen muss man dann doch eine automatische E-Mail zurückschreiben mit der Bitte, ein Format zu schicken, das in die Nähe eines Standards kommt. Hier findet Digitalisierung im Stillen statt, weil bei vielen Unternehmen der elektronische Eingang den klassischen Briefeingang schon lange überholt hat.
4. Braucht es da nicht eine Art Instanz, die das alles orchestriert und überwacht?
Harald Grumser: Beim letzten Comparting, unserem jährlich stattfindenden internationalen Fachforum, fragte ein Zuhörer aus dem Auditorium, was denn die „nächste große Sache“ bei Compart wäre. Ich habe vorsichtig geantwortet, dass es niemanden überraschen sollte, dass genau zu dieser Frage von uns etwas kommen könnte, in welcher Form auch immer. Wir haben in den letzten Jahren vor allem in den großen Unternehmen Projekte mit nahezu allen Workflow- und Prozessautomatisierungs-Tools dieser Welt realisiert, und einen Teil dieser Funktionen decken unsere bisherigen Produkte ja auch schon ab.
Das heißt nicht, dass wir bessere generische Lösungen bauen können als andere. Wir wissen aber, dass gerade in der Dokumentenverarbeitung sehr spezifische Funktionen gebraucht werden. Man denke nur an das Extrahieren einer Adresse, das Aufbringen eines Barcodes, das Hinzufügen von Metadaten in PDF-Dateien oder an die Bündelung von Einzeldokumenten zu portooptimierten Sendungen. Das sind doch sehr spezielle Funktionen, die oft extrem aufwändig oder mit enormen Performance-Einbußen realisiert werden können. Wir versuchen, unsere Kunden und den Markt gut zu verstehen, wir wissen, was wir schon haben und was wir noch brauchen. Und manchmal ist es eben auch Zeit für eine neue größere Sache. Auf diese Art und Weise ist unter anderem unsere Software zur universellen Dokumentenerstellung, DocBridge Impress, entstanden. Ich verspreche, dass es sich auch dieses Jahr im November lohnt, das Comparting zu besuchen.
5. Apropos DocBridge Impress. Wie ist der aktuelle Stand?
Harald Grumser: Als wir uns vor knapp vier Jahren für die Entwicklung des Produkts entschieden, hatten wir zunächst einmal nur einen Hochleistungs-Formatierer für XSL/FO und viele Ideen. Wir waren uns im Klaren darüber, dass wir die digitalen Kanäle in den Vordergrund stellen müssen und „das bisschen Papier“ dann auch noch hinkriegen. Wir wussten, dass kaum ein Kunde auf das nächste proprietäre System migrieren würde. Deshalb kamen nur offene, etablierte Standards für die Erstellung in Frage, auf der das neue Produkt basieren sollte. Und wir wussten, dass die Sache mit Cloud und Web-Services ernst wird.
Ehrlich gesagt sind wir überrascht, wie gut die Resonanz auf DocBridge Impress ist. Die ersten Kunden sind in Produktion mit der neuen Lösung und wir arbeiten mittlerweile fast schon im Zweiwochentakt an neuen Proof of Concepts. Dabei haben sich tatsächlich die drei Anwendungsszenarien als die am meisten nachgefragten erwiesen, die wir von Anfang im Visier hatten: Da gibt es zum einen Kunden, die DocBridge Impress parallel zu ihrer bestehenden Dokumentenerzeugung betreiben, um bestimmte Anforderungen wie Web-Ausgabe, responsives Design oder auch nur mal osteuropäische Sonderzeichen zu realisieren.
Wir waren uns sicher, dass dieser Guerilla-Ansatz funktionieren würde. Es gibt zweitens die Unternehmen, die ihr in die Jahre gekommenes Altsystem komplett durch eine neue, moderne Lösung ersetzen wollen. Diese Projekte brauchen etwas mehr Zeit, da kann man aber auch in einigen Monaten etwas bewegen, wenn die bauseitigen Voraussetzungen günstig sind. Und dann laufen noch Implementierungen, die DocBridge Impress als reine Technologie vor allem im Bereich mobiler Anwendungen einsetzen.
Nach unseren bisherigen Erfahrungen sind wir mittlerweile der Überzeugung, dass Big-Bang-Projekte mit wenigen Ausnahmen eine Chance haben, zu funktionieren. Deshalb legen wir auch großen Wert auf die schrittweise Einführung neuer Systeme. Was wir unseren Kunden letztlich anbieten, ist nicht nur die Technologie, sondern auch genügend Zeit, um Dinge in der richtigen Reihenfolge und zum passenden Zeitpunkt zu machen. Es ist wie mit gutem Wein: Manche Dinge müssen ausgiebig reifen, um ihre volle Kraft zu entfalten.
6. Gibt es noch andere Dinge, mit denen sich Compart beschäftigt?
Harald Grumser: Auf jeden Fall. So haben wir beispielsweise in Frankreich mit mehreren Kunden zusammen ein leistungsfähiges System zum Tracking und Tracing von Dokumenten über den gesamten Produktionszyklus. Diese neue Lösung ermöglicht es, mittels einfacher Konnektoren den Weg eines Dokuments von der Wiege, vulgo Erstellung, bis zur Bahre, vulgo Versand, lückenlos zu verfolgen. Wenn der Versand physikalisch erfolgt, dann kommen die „üblichen Hardware-Verdächtigen“ Drucker und Kuvertiermaschine noch ins Spiel. Diese Lösung wird noch dieses Jahr auch außerhalb von Frankreich verfügbar sein.
Auch in anderen Bereichen sind wir innovativ. Wir arbeiten beispielsweise in England mit mehreren Druckdienstleistern an einem Portal-Prototypen für das Self-Service-Upload von Dokumenten, wobei die Qualitätssicherung durch vordefinierte Regeln vom Kunden selbst vorgenommen werden kann. Unsere Freigabeportale für Einzelsendungen und Druck-Spools, die bislang in unterschiedlichen Projetlösungen verbaut wurden, werden gerade vereinheitlicht.
Außerdem haben wir mit einem der größten Versicherer in Europa als Beta-Kunden mit einer mittleren Entwicklungsmannschaft ein neues Recourse-Management –Tool entwickelt, das es erlaubt, die rekursive Abhängigkeit aller Druckressourcen aufzuzeigen und Versionierungen vorzunehmen. Dieses Tool wird künftig auch Bestandteil anderer Produkte sein.
Daneben beschäftigen wir uns gerade mit der Integration von Komponenten der DocBridge Suite in etablierte Cloud-Ökosysteme. Es gibt also neben dem Konvertierungsgeschäft eine ganze Menge von Dingen, die uns morgens ins Büro treiben.
7. Was tut Compart sonst noch, um die „Welt des Dokumenten- und Output-Managements“ weiter ein Stück besser zu machen?
Harald Grumser: Wir wollen den Umgang mit Dokumenten so bequem machen wie das Autofahren. Bei letzterem übt die Welt nun seit mehr als 120 Jahren und ist noch lange nicht am Ende. Stichwort autonomes Fahren. Dagegen hatten wir in der IT noch nicht einmal die Hälfte der Zeit. Wir wollen, dass sich unsere Kunden auf die Aufgaben konzentrieren können, die sie als Unternehmen weiterbringen. Sie sollen sich eben nicht um osteuropäische Sonderzeichen kümmern müssen, um beim eingangs erwähnten Beispiel zu bleiben. Da mag sich der eine oder andere auf die Schenkel klopfen, der gerade mal wieder fluchend einen Parameter in unserem PDF-Profil gesucht hat.
Um es klar zu sagen: Wir sind, bildlich gesprochen, in unserer Branche eben eher im Sondermaschinenbau unterwegs. Und nicht in der Fließbandproduktion des dreißigmillionsten Golfs. Und die Komplexität bauen wir nicht ein, weil wir nichts Besseres zu tun haben, sondern weil bei zweitausend Sondermaschinen eben alles einmal dran war. Wir kommen dem Ziel, den Unternehmen ihre Dokumentenproduktion so angenehm wie möglich zu machen. Trotzdem bin ich noch lange nicht zufrieden mit dem, was wir bisher erreicht haben. Da bin ich eben sehr ungeduldig. Das heißt aber auch nicht, dass ich insgesamt unzufrieden bin. Wir wachsen, wir sind profitabel, wir haben eine hohe Liquidität. Das macht mich doch insgesamt sehr entspannt.
Herr Grumser, herzlichen Dank für das Gespräch.
Comparting, das internationale Forum für Multi-Channel Dokumenten- und Output-Management, am 15. und 16. November 2018 in der Kongresshalle Böblingen.
(Coverstory Compart für BIT-Magazin, Ausgabe 3-2018 – Doxnet-Ausgabe)